FESTREDE VON ALTBÜBGERMEISTER WILHELM WUNDERLlCH†

ZUM 90 JÄHRIGEN GRÜNDUNGSFEST DER FREIWILLIGEN FEUER-

WEHR HOFSTETTEN


Wenn in diesen Tagen und Stunden die Freiwillige Feuerwehr Hofstetten ihr 90-jähriges Bestehen feiern kann, so scheint mir das ein wichtiges und nicht unbedeutendes Ereignis zu sein, das einen festlichen Rahmen wohl verdient.

90 Jahre umfassen eine gewichtige Zeitspanne - es ist der Zeitabschnitt dreier Generationen -. Es waren für uns, die wir auch bereits in den Reihen der 2. Generation stehen, unsre gewesenen Großväter, die sich im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts zur Gründung der Freiwilligen Feuerwehr zusammengefunden haben und der Brandbekämpfung neue Impulse gaben.

Man kann sich die Brandbekämpfung im Vorzeitalter der Technik nur sehr schwer vorstellen und es fehlt auch an eindeutigen Nachweisen wie man zu jener Zeit einem ausgebrochenen Brande zu Leibe rückte. Bekannt ist uns allen lediglich aus »Schillers Glocke« der Lobpreis auf das Feuer, das er als eine Himmelsmacht rühmt, wenn es bezähmt und bewacht wird. Er führt es uns aber auch vor Augen, wie es zu einem verderblichen Unheil wird, wenn es seiner Fesseln sich entrafft und einher tritt auf der eigenen Spur. - Wehe wenn sie losgelassen wachsend ohne Widerstand, durch die volksbelebten Gassen wälzt den ungeheuren Brand. - Der Dichter zeigt uns in dieser Ausdrucksweise, daß man in der damaligen Zeit, einer Feuersbrunst wenn sie einmal wütete, nicht viel entgegenzusetzen hatte; und er zeichnet uns das Bild noch weiter wie in der damaligen Zeit eine Brandbekämpfung durchgeführt wurde, indem er weiterfährt: »Durch der Hände lange Kette um die Wette fliegt der Eimer«. Wasserleitungen mit Hydranten an die man heute im Handumdrehen anschließt, waren zu jener Zeit nicht vorhanden, auch keine Motorspritzen. Wohl aber sollte man annehmen, dass es zu jener Zeit bereits Wasserspritzen gab, nachdem er in seinem Gedicht weiter reimt:

»Hoch im Bogen spritzen Quellen, Wasserwogen.«Wir die ältere Generation, die wir um 1910 und früher geboren sind, können uns noch jenen Tages erinnern, an dem im 1. Weltkrieg, die im Feuerwehrhaus vorhandenen ledernen Feuerlöscheimer an die Einwohnerschaft zur Schuhbesohlung abgegeben wurden. Aber noch war die Zeit der Wassereimer noch nicht vorbei.

Die heute noch als Museumsstück im Feuerwehrhaus stehende alte Kastenspritze musste auch nach wie vor das Wasser in Eimern zugeführt bekommen. Die Feuerwehrleiter war eine einfache Ausziehleiter, nicht auf einem Fahrgestell wie die jetzige und ohne die Sicherheitsvorkehrung eines Geländers an den Seiten. Sie hatte 2 Seitenstreben und musste per Muskelkraft hochgewuchtet und gehalten werden. Als 1Steiger standen auf ihr - uns noch im Gedächtnis haftend und nicht ungefährlich - unser jetziges Ehrenmitglied Georg Günther und vor ihm dessen Vater Wilhelm Günther.

Abgelöst wurde dieses Unikum von Leiter durch Neuanschaffung einer fahrbaren, mechanischen Leiter im Jahre 1929 unter dem damaligen Bürgermeister Ernst Schipp. Es stand diese Maßnahme wohl im ursächlichen Zusammenhang mit dem Neubau und Inbetriebnahme der gemeindlichen

Wasserversorgung im Jahre 1928/1929. Untergebracht waren die Feuerlöschgeräte soweit sich rückwärts feststellen lässt, zu aller erst in der Brechhalle an der Eichelsbacherstraße, unweit von hier. lm Jahre 1908 wurde dann zu einer Verbesserung der Unterstellverhältnisse der Feuerwehrgeräte geschritten. Es wurde eigens für diesen Zweck ein Feuerwehrgerätehaus - klein und zierlich aus Fachwerkbauweise, mit einem Schlauchturm und einer Wetterfahne darauf errichtet.

40 Jahre lang diente dieses Haus seiner Zweckbestimmung. Doch war es mittlerweile zu klein und auch reparaturbedürftig geworden. Da kam man denn nach langem »Hin und Her« im Jahre 1948 unter dem damaligen Bürgermeister Walter Horlebein kurzerhand zu dem Entschluss, keine Erweiterung und Ausbesserung mehr vorzunehmen, sondern es niederzureißen und an seiner Stelle ein neues und größeres Feuerwehrgerätehaus in Verbindung mit einem Rathaus zu bauen.

Übriggeblieben ist von diesem alten Feuerwehrgerätehaus nichts mehr als die Wetterfahne, die sich auch heute noch willfährig auf dem Schlauchturm des neuen Feuerwehrgerätehauses nach dem Winde dreht, sofern ein solcher vorhanden ist.

Erbaut wurde dieses neue Feuerwehrgerätehaus nach den Plänen des Architekten Heinz Schlüter, Frankfurt a. Main im Planungsbüro der Vereinigten Glanzstoff Fabriken Werk Obernburg a. Main für die Herr Direktor Dr. Brötz verbindlich zeichnete. Das Haus wurde in einer zweijährigen Bauzeit mit einem Kostenaufwand von rd. 47.000,- DM errichtet. 7.000,- DM erhielt die Gemeinde als Staatszuschuss aus Mitteln des

Fonds für das Feuerlöschwesen. Die Gemeinde hatte an Eigenmitteln einen Betrag von 40.000,- DM aufzubringen und dies in dem Zeitraum von 2 Jahren, nachdem sie aus der Währungsumstellung mit einem Aufwertungsbetrag von 491,- DM hervorgegangen war. Am 2. 3. und 4. Juni 1951 war der Bau vollendet und konnte in Verbindung mit dem 75-jährigen Gründungsfest der Wehr in feierlicher Weise seiner Bestimmung übergeben werden.

Es waren diese Tag; ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Hofstetten und werden es für alle Zeiten bleiben. Zur Verbesserung der Feuerlöscheinrichtungen - das sei noch zu erwähnen - wurde im Jahre 1946 die alte Kastenwagenspritze durch eine TS 8 Motorspritze ergänzt. Diese wiederum wurde abgelöst durch eine neue und modernere im Jahre 1964„mit einem Kostenaufwand von 4.250,- DM. Gefördert wurde diese Maßnahme staatlicherseits mit einem Zuschuss von 1 .O5O,- DM.


Meine Damen und Herren! Schauen wir nun von der Seite der materiellen Gegebenheiten hinüber zur ideellen und personellen. Nachdem bereits vorher eine von 40 männlichen Gemeindeeinwohnern unterschriebene Liste mit der Zusicherung einer Freiwilligen Feuerwehr beizutreten aufgestellt war, finden wir unterm 10. Januar 1876 einen Erlass des königl. Bezirksamtes Obernburg mit folgendem Wortlaut: »Nachdem die Gemeinde Hofstetten für die Errichtung einer Freiwilligen Feuerwehr sich entschieden hat, wird demnächst der Feuerwehr - Bezirksvertreter Herr Magistrats-Rath Pfister Klingenberg oder dessen Stellvertreter im Auftrage des Bezirksamtes in Hofstetten sich einfinden, um nach Maßgabe der Verbandsstatuten die Konstituierung und Organisation der Freiwilligen Feuerwehr dort selbst zu leiten und in Vollzug zu setzen.«Königl. Bezirksamtmann gez. Wehn. Unterm 26. Januar 1876 berichtet uns dann eine weitere Niederschrift, wie durch den vorgenannten Bezirksfeuerwehrvertreter die sich zur Freiwilligen Feuerwehr angemeldete Mannschaft in ihre Dienstleistungen eingewiesen

und die›Wahl eines Kommandanten im ersten durch Akklamation durchgeführt wurde. Aus dieser Wahl gingen hervor: Als 1. Kommandant - Johann Georg Schipp und als dessen Stellvertreter Andreas Dyroff. Es würde zu weit führen, die einzelnen Chargierten in diesem Rahmen alle aufzuzählen. Als erster Sanitäter erscheint uns nebenbei noch der Name - Adam Raab - und

als Hornist der Name ~ Michael Hilbert -. Manneszucht und ehrenhaftes Benehmen waren in der Wehr eine Selbstverständlichkeit und oberstes Gebot. So finden wir in weiteren Niederschriften die Bemerkung, dass ein Ortsbürger infolge schlechten Leumundes keine Aufnahme in der Wehr erfahren konnte und ein anderer Feuerwehrmann infolge unbotmäßigen Benehmens gegenüber dem Kommandanten aus der Wehr ausgeschlossen wurde. Wie sehr man auf ein ehrenhaftes Benehmen in der Wehr Wert legte, zeigt uns eine weitere Niederschrift vom 28; Dezember 1880 in der eine Wahl des Kommandanten und aller Chargierten vorgenommen und sieben neue Mitglieder in die Wehr aufgenommen wurden. Es lautet hier: In Anerkennung des freiwilligen Zugangs und Festhaltung an der, der Feuerwehr obliegenden Pflichten, bei ehrenhafter und charaktervollen Aufführung unterzeichnen sich: Kaspar Horlebein; Andreas Dyroff; Andreas Raab; Ludwig Horlebein; Johannes Schipp; Georg Horlebein und Heinrich Horlebein. Bei der Wahl des Kommandanten an diesem Tage, die mittels Stimmzettel durchgeführt wurde, wurden von 35 abgegebenen Stimmen 33 für den gewesenen Kommandanten Johann Georg Schipp abgegeben. Ein Jahr später in der Versammlung vom 18. Dezember1881 beider wiederum 7 Mitglieder auf ihren Antrag in die Wehr aufgenommen wurden, finden wir folgende Feststellung: »Die Angemeldeten besitzen die nötigen Eigenschaften um bei der Freiwilligen Feuerwehr, den in Not kommenden Mitmenschen Hilfe zu leisten und es wurde deren Aufnahme einstimmig beschlossen. Hierauf wurden ihnen die betreffenden §§ der Statuten vorgelesen und dieselben zur genauen Beachtung eingeschärft«. Was weiter interessant ist, ist dass auch israelische Gemeindebürger in den Reihen der Freiwilligen Feuerwehr standen. So finden wir unterm 3. Januar 1888 bereits den Namen Jakob Grünebaum, der wohl zum Sanitäter ausgebildet wurde, denn unterm 5.Januar 1890 lesen wir: » Neu angeschafft wurde eine Verbandstasche und wurde dieselbe dem ausgebildeten Sanitäter Grünebaum übergeben und musste derselbe in Gegenwart der Mitglieder einem vom Kommandanten bestimmten Feuerwehrmann einen Verband anlegen.«

Im weiteren finden wir noch unter diesem Tage die Namen Samuel und Mayer Grünebaum. Im Jahre 1894 begegnen uns dann die Namen Mendel und Max Reis. Um die Jahrhundertwende finden wir dann als Sanitäter Samuel Grünebaum, als Zugführer der Pflichtfeuerwehr Elias Grünebaum

und als Ordnungsdienst den wegen seines Humors und seiner Schnurren allseits im Landkreis bekannten Herz-Löb Grünebaum (der einmal sogar mit seinen Geißböcken die Feuerwehrspritze gefahren haben soll). Johann Georg Schipp versah den Posten des Kommandanten ununterbrochen 12 Jahre, vom Jahre 1876 bis zum Jahre`1887; wo es in der Niederschrift vom 1 1 .Januar heißt: »Nachdem der bisherige Kommandant Johann Georg Schipp nach § 37 Abs. 1 eine Wiederwahl ablehnte wurde durch Akklamation Adam Horlebein als Kommandant und Johann Georg Schipp als

Adjutant gewählt. Diese Verteilung der Posten erstreckte sich auf einen Zeitraum von 4 Jahren. In der Niederschrift vom 1 1. Januar 1891 lesen wir unter anderem: Ferner wurde vom Kommandanten mitgeteilt, dass er die Funktion als Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr ablehne und aus der

Freiwilligen Feuerwehr austrete.« Die an diesem Tage stattgefundene Wahl brachte als Kommandanten wiederum Johann Georg Schipp und als Adjutanten Ludwig Schwarz. Unter der Führung der beiden letzteren stand die Wehr bis zum Jahre 1895, wo Kommandant Johann Georg Schipp von Johann Schipp Haus Nr. 66 abgelöst wurde Adjutant blieb weiterhin Ludwig

Schwarz. Gleichfalls nach einer Zeitspanne von 12 Jahren - am 10. Januar 1907 - wurde Johann Schipp vom Posten des Kommandanten durch den Schneidermeister Adam Horlebein Haus Nr. 49 abgelöst und war unter diesem Adjutant der Wehr. Infolge eines Dienstunfalles trat letzterer unterm

30.Juli 1911 von seinem Posten zurück und aus der sich anschließenden Wahl ging wiederum Johann Schipp als Kommandant und Johann Georg Horlebein Haus Nr. 41 als Adjutant hervor. Letzterer verstarb am 5. April 1914 und wurde als sein Nachfolger Kaspar Amendt unterm 5. Mai 1914 gewählt. Letztere blieben auf ihren Posten bis zum Jahre 1921; wo sie zu Ehrenmitgliedern ernannt wurden. Als neuer Kommandant wurde in der Versammlung vom 6. Januar 1921 der Schneider Georg Horlebein Haus Nr. 49 und als Adjutant Georg Schipp Haus Nr. 27 gewählt. Hornisten wurden Johann Schipp 66 und Ernst Schipp Haus Nr. 38 1/2. Bereits nach einem

halben Jahr legte Georg Horlebein infolge Wegzuges aus Hofstetten sein Amt als Kommandant nieder und an seine Stelle wurde Georg Schipp Haus Nr. 27 gewählt, während Michael Pilger als Adjutant aus der Wahl hervorging. Am 22. April 1934 trat Pilger infolge seines Alters von seinem Posten zurück und an seine Stelle wurde Heinrich Horlebein Haus Nr. 72 gewählt.

Georg Schipp im 3. Reich die Dienstbezeichnung Wehrführer tragend, starb am 13. April 1941. Als sein Nachfolger wurde der Bäckermeister Balthasar Horlebein Haus Nr.2 berufen, der seinen Dienst bis zum Einzug der Amerikaner versah von diesen abgesetzt und die Wehr aufgelöst wurde.


Während der Kriegsjahre bis zum Jahre 1945 waren sämtliche wehrfähigen Männer bis auf wenige Ausnahmen eingezogen worden. Die Freiwillige Feuerwehr unter ihrem Wehrführer _Balthasar Horlebein rekrutierte sich durchwegs aus jungen Mädchen. Die Übungen wurden jeden 2. Sonntag abgehalten und man rühmt der Wehr nach, dass sie zu jederzeit einsatzfähig und schlagkräftig war, was sie in den letzten Kriegsjahren ja reichlich unter Beweis stellten konnte. Es ist dies ein besonderes Lob auf unsere damaligen jungen Damen.

lm Jahre 1946 ging man wieder daran, die aufgelöste Wehr neu aufzubauen. Als Kommandant wurde der einige Jahre vorher nach Hofstetten zugezogene Zimmermann Helmut Schuch und als sein Stellvertreter Willi Frost gewählt. Am 1. April 1948 verstarb Helmut Schuch plötzlich infolge eines Herzschlages und es wurde an seine Stelle sein Stellvertreter Willi Frost gewählt. Zum 2. Kommandanten wurde im selben Zeitraum Georg Günther gewählt. Seit dem 18. Januar 1951 steht an der Spitze unserer Wehr unser rühriger und Ihnen allen wohlbekannter Robert Raab. Ihm stand zur Seite bis zum Jahre 1961 als Adjutant Georg Günther und seitdem bekleidet die Stelle des Adjutanten der technische Angestellte Arnold Horlebein. Die Stärke unserer Wehr beträgt gegenwärtig 51 Mitglieder; davon sind 43 aktiv und 8 passive Mitglieder. Das bronzene Leistungsabzeichen wurde von 3 Löschgruppen errungen. Meine Damen und Herrn Gestatten Sie mir noch, dass ich in dieser Stunde unserem langjährigen und um die Wehr so verdienten Kommandanten Robert Raab namens der Gemeinde Hofstetten aufrichtige Worte des Dankes

und der Anerkennung ausspreche; er hat es redlich verdient. Unter seiner Führung seit dem Jahre 1951 hat die Wehr einen beachtlichen Aufschwung genommen und uns ein besonderes Gefühl der Sicherheit hinsichtlich des Feuerschutzes gegeben; Wir wünschen ihm fernerhin volle Gesundheit und Schaffenskraft im eigenen Wirkungsbereich, darüber hinaus aber auch einen nie erlahmenden Idealismus und die Freude zum Dienst in der Gemeinschaft. Mit der Losung unserer Wehr »Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr« möchte ich meine Ausführungen schließen. Ich heiße Sie alle die Sie zu diesem Feste hierhergekommen sind im Namen der Gemeinde und auch der Freiwilligen Feuerwehr nochmals herzlich willkommen und wünsche Ihnen allen frohe und vergnügte Stunden, die Sie noch oft an dieses Fest zurückdenken lassen.